Gipfelglück 2.0

Webreport vom Berg - Gipfelglück 2.0

Das Internet ist für Bergsportler längst Quelle von Information und Inspiration

rund um neue Touren geworden. Oft  berichten ambitionierte Hobbybergsteiger

auf privaten Seiten ausgiebig über eine spezielle Region oder Disziplin und

helfen so anderen bei der Recherche. Wir stellen Ihnen einige Menschen

hinter den Berg-Blogs vor.

Der Pionier

(Bielefeldt.de)


Hartmut Bielefeldt liebt die großen Berge der Welt. Als einer der Ersten berichtete er schon in den 1990er-Jahren von seinen Expeditionen.


Die Großen der Welt sind auf Hartmut Bielefeldts Website zu finden: Mount Everest, Cho Oyu, Aconcagua. Der Bergsportler ist eine Art Pionier: Er gehörte zu den Ersten, die zu Expeditionen aufbrachen und im 1996 noch rudimentären Internet darüber berichteten. »Damals war es schwer, an Informationen zu kommen«, erinnert er sich. Selbst große Expeditionsanbieter seien zu dieser Zeit noch gar nicht im Netz vertreten gewesen, merkt er nicht ohne Stolz an.


Über die Jahre folgten so viele Aktionen, dass die Statistik mittlerweile für sich spricht: Fünf der Seven Summits und 57 Alpenviertausender bestieg Bielefeldt neben vielen anderen Gipfeln. Ihm geht es um Höhe – oder besser gesagt um Höhenmeter. Denn weiter hinauf kann er seit der Expedition mit seiner Frau auf den Mount Everest vor zehn Jahren nicht mehr steigen. Und darüber ist er auch froh, hat Bielefeldt in der dünnen Luft über der nepalesisch-tibetischen Grenze doch auch seine eigenen Grenzen entdeckt und wäre fast nicht mehr lebend heruntergekommen.


Die Ehefrau rettet ihn


Der 48-Jährige sitzt in seinem Wintergarten bei Friedrichshafen, zwei ausgeblichene Poster zeigen den 360-Grad-Blick vom Everest. »Es war ein fantastisches Erlebnis. Wir haben eine Stunde lang die Aussicht vom Gipfel genossen«, erzählt er. Zwei Monate waren der promovierte Physiker und seine Frau Claudia Bäumler damals in Asien, um den Gipfel über die Nordroute zu erreichen. Doch Bielefeldt hatte Probleme mit einer Sauerstoffflasche. »Ich habe krampfhaft gegen die Müdigkeit gekämpft«, sagt er.


Richtig schlimm wurde es beim Abstieg. »Ich bin nur fünf Schritte vorwärts gekommen und musste mich dann hinsetzen und ausruhen.« Die Kombination von Erschöpfung und Lungenödem ließ den Bergsportler um sein Leben fürchten. Vor allem seiner Frau, der es während der gesamten Tour besser ging, verdankt er, heil  heruntergekommen zu sein. »Das schweißt natürlich zusammen.« Die Liebe des Paars begann einst als Bergfreundschaft in der Jungmannschaft des Alpenvereins. Beide begeisterten sich schon früh vor allem für Hochtouren. Anfang der 1990er-Jahre bestiegen sie den Pik Lenin (7134 m). Noch heute leuchten Bielefeldts Augen, wenn er an die erste große Expedition denkt, der im folgenden Jahr eine weitere ins zentralasiatische Pamir folgte. »Eigentlich wollten wir gar keine so großen Sprünge in der Höhe machen«, sagt er lachend. Heute gibt sein Haus überall Zeugnis von der Berg-Leidenschaft der Familie. Sogar Tochter Nina bindet mit alten, neonrosa Steigeisenriemen einen Anhänger an ihren Puppenwagen. Sie taucht auch auf Bielefeldt.de auf: Eine Rubrik widmet sich dem Thema »Wandern mit Baby«.



Tourentipp des Webmasters


Alphubel (4206 m),

Südostgrat von der Täschhütte


Schwierigkeit: mittel

Zeitbedarf: 4–5 Std.

Aufstieg: 1500 Höhenmeter

Abstieg: 1500 Höhenmeter   

Charakter: Hochtour, meist Schneegrat, oben Schnee-/Eisflanke (Schwierigkeit PD, bei Vereisung AD)

Ausgangspunkt: von der Täschalp (2200 m) zur Täschhütte (2701 m)

Einkehr: Täschhütte

Route: Täschhütte – Alphubeljoch (3782 m); über den erst einfachen Grat, der sich später in einer Schlusswand aufsteilt (etwa 45°, Sicherungsstangen) zum Gipfel

Abstieg: wie Aufstieg oder über den Normalweg zur Bahnstation Längflue (2869 m)










Die Gemischtwarenhändler

(Gipfelstuermer.de; Gipfelstuermerin.de)


Klettern, Wandern, Filme und Produkttests: Thorsten Liborius und Janina Werner bestücken ihre Blogs mit einem breiten Themenspektrum.


Alles fing mit Bergberichten für die Großeltern an. Damit Oma und Opa wussten, was er so treibt, schrieb Thorsten Liborius Ende der 1990er-Jahre über seine Erlebnisse in den Alpen. Als Domains irgendwann bezahlbar wurden, verband er sein Hobby mit dem Informatikstudium und programmierte eine eigene Bergseite: Gipfelstuermer.de. Jetzt, gut 14 Jahre später, stehen zahlreiche Kletter-, Hoch- und andere Touren darauf. Es sind Videos zu finden und Produkttests. Sogar seine Partnerin Janina Werner, im Netz seit 2002 auch durch die Seite Gipfelstuermerin.de bekannt, hat er über seinen Blog kennengelernt.


Die Berlinerin schrieb als »Gipfelstürmerin« in sein Gästebuch. »Ich antworte auf die meisten Einträge, aber wenn die Gipfelstürmerin dem Gipfelstürmer schreibt, ist das irgendwie schon interessant«, sagt Liborius grinsend. Die Mails gingen hin und her, und heute wohnen die beiden zusammen in Radolfzell am Bodensee. Trotz zeitraubender Jobs bleiben der Rechtsanwältin und dem Software-Entwickler ihre Websites mit Berichten über einsame Wanderungen, tolle Kletterrouten und Abenteuer wichtig.


Auch mal Daumen runter


Besonders groß ist der Aufwand für Schnitt und Vertonung der Videos. »Ich arbeite ein bis zwei Stunden, um eine Minute fertigen Film zu bekommen«, sagt Liborius. Sein erster Film entstand eher zufällig auf einer Tour über den Nordgrat des Großen Krottenkopfs im Allgäu. Die Netzgemeinde ermunterte den Bergsportler damals weiterzumachen. Die beiden Internetseiten wurden mit der Zeit zum »Gemischtwarenladen«, wie Janina Werner es nennt. Seit ein Online-Shop auf sie zukam, testen sie Outdoor-Produkte – und vergeben ganz ehrlich auch mal den Daumen nach unten. Ein weiteres Projekt von Thorsten Liborius heißt Climbmate. Dabei können die Nutzer Kletterpartner finden sowie Kletterhallen und -routen bewerten. Gipfelstuermer.de enthält zudem ein Forum, die Gipfelstürmerin wiederum liest gerne und stellt daher Berg- und Outdoorbücher vor. Viele Touren unternimmt das Paar gemeinsam. Die wilderen Aktionen landen auf Gipfelstuermer.de, Janina Werner konzentriert sich vor allem auf die alpinen Wanderungen.



Tourentipps der Webmaster



Thorsten Liborius

Hoher Riffler (Verwall, 3168 m),

Nordgrat


Schwierigkeit: schwierig

Zeitbedarf: 8–10 Std.

Aufstieg: 2000 Höhenmeter

Abstieg: 2000 Höhenmeter

Charakter: Hochalpine Gratkletterei im Verwall (Schwierigkeit II–III)

Länge: 2000 Höhenmeter, davon 550 auf dem Grat, 15 Kilometer Strecke

Ausgangspunkt: Schnann im Stanzertal

Einkehr: Edmund-Graf-Hütte (2375 m)

Route: Fahr- und Wanderweg zur Mittagspitze; über den Grat zum Gauderkopf (II–III) und über den eigentlichen Nordgrat (bis III-) zum Gipfel des Hohen Riffler

Abstieg: Über den Normalweg zur Edmund- Graf-Hütte (2375 m) oberhalb von Pettneu am Arlberg im Stanzertal



Janina Werner

Berliner Höhenweg

(mit Hohem Riffler Zillertal, 3231 m)


Schwierigkeit: mittel

Zeitbedarf: mind. 7 Tage

Aufstieg: 5000 Höhenmeter

Abstieg: 5000 Höhenmeter

Charakter: Hochalpiner Steig im Zillertal, der bis auf über 3100 m führt (Schwierigkeit I); drahtseilgesicherte Stellen, Firnfelder

Ausgangspunkt: Finkenberg bei Mayrhofen

Einkehr: Hüttenwanderung mit mehreren Einkehrmöglichkeiten

Route: zur Gamshütte – Friesenberghaus – Hoher Riffler (3231 m) – Petersköpfl  (2679 m); Übergang zum Olpererhaus – Furt- schaglhaus – Schönbichler Horn (3133 m) – Berliner Hütte; Übergang zur Greizer Hütte – Kasseler Hütte – Edelhütte –Ahornspitze (2973 m); Abstieg zurück nach Mayrhofen




Der Abenteurer

(Gipfelsuechtig.de)


Boris Stephan geht jenseits ausgetretener Pfade. Er schreibt über einsame Ziele.


Wenn Boris Stephan von der Tour auf seinen bisher höchsten Gipfel und einzigen Dreitausender, die Parseierspitze, erzählt, strahlt er. »Diesen Tag werde ich nie vergessen.« Trotz des Gipfelerfolgs, trotz des Superlativs ist es dabei nicht die Bergtour allein, die diesen Tag zu einem der wichtigsten in seinem Leben gemacht hat: »Abends hat meine Frau Martina mir gesagt, dass ich Papa werde!«


Die damalige Tour beschreibt Stephan neben jeder Menge anderer Aktionen auf seiner Website Gipfelsuechtig.de. Er hat ein eigenes Bewertungssystem entwickelt, zeichnet Karten und veröffentlicht Fotos. Der Ingenieur für optische Messtechnik konzentriert sich vor allem auf wenig bekannte Routen, »traumhafte Gipfelparadiese noch fernab des Massentourismus in ursprünglicher Bergwelt«. Am liebsten ist es dem 38-Jährigen, wenn nur ein kleiner Pfad oder gar kein Weg zu seinem Ziel führt. Kraxelei bis II darf auch gerne dabei sein, auch wenn er kein Kletterer ist. »Ich hoffe immer, dass nichts kommt, was mich extrem fordert«, räumt er ein.


Trotzdem: Auch in unteren Schwierigkeitsgraden kann man abstürzen. »Wenn jemand sagt, ich stelle Touren ins Netz, auf denen man sich umbringen kann, kann ich das nicht von der Hand weisen«, gibt er zu. Natürlich jage ihm die Vorstellung, jemand könnte mit seinem Tourenbericht in der Hand zu Tode stürzen, einen kalten Schauer über den Rücken. Daher weist Stephan auch stets auf die Risiken hin. Als »gewissen Schutz« sieht er es außerdem an, dass seine Touren keine Genusstouren für Jedermann sind. Die Berge sind oft nur durch einen langen Anmarsch oder per Bike zu erreichen. Gondeln oder bewirtete Hütten sind selten, Geröll und brüchiger Fels dagegen häufig.


Ein bisschen angeben


Mehr als 30 ausführliche und rund 250 Kurzbeschreibungen hat Stephan seit dem Start seiner Seite vor rund zehn Jahren zusammengestellt; rund 30 Stunden braucht er für einen Bericht. Lächelnd erinnert er sich an den Beginn seines Blogs im Jahr 2003: »Natürlich wollte ich sagen: Hey Leute, seht, was ich Tolles gemacht habe.« Hauptsächlich habe er es Gleichgesinnten jedoch erleichtern wollen, einsame Touren zu unternehmen. Vor allem eines habe sich im Laufe der Jahre jedoch nie geändert: Dass es Momente in den Bergen gibt, deren Schönheit ihn einfach sprachlos machen.



Tourentipp des Webmasters


Fallenbacherspitze (2723 m)


Schwierigkeit: schwierig

Zeitbedarf: 7 Std.

Aufstieg: 1650 Höhenmeter

Abstieg: 1650 Höhenmeter

Charakter: Wanderung durch wegloses Gelände mit steilem Geröll und leichter Kletterei (I–II)

Route: von Bach im Lechttal am besten mit dem Rad nach Madau und von dort aus ins Alperschontal und dann durchs Gamskarle auf die Fallenbacherspitze

Abstieg: wie Aufstieg








 


Weitere Informationen unter: http://www.bergsteiger.de



Fotos: Bielefeldt, Liborius, Stephan, Eberhard (3)

Erschienen am 18. Januar 2014 im Bergsteiger