Projekt

Frank Eberhard

Handlung

 

"So lange sie denken, denken zu können, was sie wollen, denken sie, was wir denken, was sie denken sollen." So sieht Ivan, einer von drei Unbekannten, die die Herrschaft über eine kleine Insel im Pazifik an sich reißen, die Rolle der Bevölkerung. Und er ist der moderateste der drei Invasoren. Die Geschichte einer pazifischen und bislang auch pazifistischen Insel ändert sich in dem Moment, als Ivan, Mark und Birga landen. Sie unterjochen die vierköpfige Bevölkerung und hetzen sie gegeneinander auf. Wesentlich perfider einen sie das Volk jedoch wieder unter ihrer Herrschaft und gründen eine Nation. Diese führen sie im Eiltempo aus dem isolierten und einfachen Leben durch die Kolonialzeit in das 21. Jahrhundert. Dabei versklaven die neuen Herrscher die rasch wachsende Bevölkerung durch das Wechselspiel von Arbeit und Konsum. Sie schaffen ein anonymisiertes Großstadtleben, treiben Tanja, die einzige Frau der Insel, zuerst in den Burnout und dann in die Prostitution. Sie gründen ein Militär, das aus einem jungen Argentinier, einem Esel, einem Geschütz und zwei Armeechefs besteht. Und sie schaffen ein gemeinsames Feindbild: Die Anderen. Dazu kann jeder gehören, der ihren Zielen im Weg steht – die Inselbewohner selbst, die Taleban in Afghanistan oder die französische Marine. Internationale Anerkennung gewinnt die Nation durch diplomatischen Umgang mit umstrittenen staatlichen Gebilden wie dem Shan- und dem Wa-Staat in Myanmar sowie Abchasien und Südossetien. Der Durchbruch gelingt jedoch, als die Insel-Armee auf US-amerikanischer Seite in den Afghanistankrieg eintritt. Sie stärkt zwar nicht die militärische, wohl aber die moralische Position der Supermacht, die den Inselstaat anerkennt. Zur gleichen Zeit sieht sich die Inselführung gezwungen, absichtlich einen Krieg gegen Frankreich zu verlieren. Dafür züchtet sie sich schnell eine Armee aus Ideologen heran, der „Knetmasse des Hasses“. Nach Marks rücksichtslosem und blutigem Vorgehen driften die Welten der Herrscher jedoch auseinander. Trotz einer wirtschaftlichen, militärischen und zuletzt auch religiösen Blütephase steuert die Inselgesellschaft auf eine Katastrophe zu. Die politische Ordnung kollabiert und die Herrscher bekämpfen sich in wechselnden Allianzen.

 

Charaktere

 

Die Herrscher: Sie kommen aus dem Nichts, krempeln das gesamte Leben auf der Insel um und hinterlassen Grauen. Mark schreckt vor nichts zurück um seine Ziele zu erreichen. Macht wird für den selbsternannten Oberst immer mehr zum Selbstzweck. Jedes Mittel ist ihm Recht um seine Position zu festigen und seinen Einfluss auszubauen. Er empfindet Freude an seinem Politspielzeug namens Insel. Für Ivan ist Macht nur Mittel zum Zweck. Um seine Visionen einer hoch technisierten Gesellschaft zu verwirklichen, geht er skrupellos vor. Er sieht die Menschen auf der Insel nur als Arbeitsameisen an, die ihm und damit der höheren Sache dienen. Birga genießt die Machtspiele ebenso wie seine beiden Kollegen. Allerdings lehnt er deren militantes Vorgehen zunehmend ab. Wie bei Ivan zielen seine Handlungen darauf ab, die Gesellschaft zu verändern und sich somit unsterblich zu machen, was letztlich darin mündet, dass er eine Religion gründet.

 

Die Bevölkerung: Die Stammbevölkerung der Insel lebt bis zur Ankunft der drei Herrscher friedlich, wenn auch nicht spannungsfrei auf der Insel. Durch die lange Isolation sind sie leicht zu beeinflussen und es mangelt ihnen an Rechtsempfinden. Porter, ein erzkonservativer und simpel gestrickter Engländer, braucht klare Muster und flüchtet sich in Schubladendenken. Nach innen hält er unter Einfluss der Regierung die Inselgesellschaft zusammen. Er begehrt Tanja und verabscheut die beiden anderen südländischen Mitbewohner. Auch der gutmütige Sammy und der heißblütige aber faule Juan sind leicht beeinflussbar. Juan stellt nach der Nationsgründung die Ein-Mann-Armee der Insel und damit Marks wichtigstes Machtwerkzeug dar. Tanja ist eine farblose Frau, deren Leben sich durch die Modernisierung und Urbanisierung radikal verändert.

 

Die Zugezogenen: Mit dem Wohlstand wächst auch die Bevölkerung auf der Insel. Die Neuankömmlinge im scheinbaren Paradies stehen der Regierung zwar mit mehr Skepsis gegenüber, müssen sich jedoch in ein bereits etabliertes System einleben. Vor allem Manuel Arnan durchschaut das Spiel der Herrscher schnell. Um ihnen Einlass zu gebieten, sieht er sich gezwungen, sich begrenzt auf ihr System einzulassen. Trotz Schikanen wird er schließlich ein erfolgreicher Teil der Gesellschaft, wobei seine Ideologie immer mehr in den Hintergrund rückt. Auch Waldemar De Geet betrachtet das politische Gefüge auf der Insel distanziert. Allerdings findet er in Ivan seinen Förderer, der ihn in Arbeit ertränkt, in der De Geet sich wiederum selbst verwirklichen will. Der chinesische Geschäftsmann Han Kaitschek möchte sich aufgrund der Erfahrungen in seiner alten Heimat aus der Politik heraushalten. Ryan Assengee und Barry McCollum sind einfache Arbeiter und finden sich auf der Insel bald in dem selben Trott wieder, dem sie in ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben.

 

Sonstige: Durch die Handlungsstränge außerhalb der Insel tauchen auch Charaktere auf, die nicht Teil des von den Invasoren geschaffenen Mikrokosmos sind. Ein Bindeglied ist dabei Jonas Robinson. Er war der einzige amerikanische Kamikazepilot im zweiten Weltkrieg und fristet sein Leben seit einem missglückten Angriff auf ein japanisches Wäschereischiff auf der Insel Iwo Jima. Als Chronist der militärischen Vorgänge im Pazifik gibt er die Konflikte auf und um die Insel in martialischer Art und Weise wieder. Als die Insel-Armee nach Afghanistan geht, dient Juan unter dem asiatischstämmigen Sergeant Kawasoko, der Teil der rücksichtslosen US-amerikanischen Militärmaschinerie ist und es genießt, „die Dreckshadjis mit runtergelassenen Hosen und der Hand am Sack zu erwischen“. Auf der anderen Seite steht Abdul Razziuk. Der afghanische Aprikosenbauer verlor seinen Hof und beinahe auch sein Leben, weil er mit den Amerikanern kollaborierte. Um sich in Zukunft besser gegen die Taleban schützen zu können, trägt er ein Gewehr bei sich. Das bringt jedoch wiederum die US- Militärmaschinerie ins Rollen. Der Witwer Nikolai Perré befehligt ein französisches Kriegsschiff im Pazifik und hofft dort nach traumatisierenden Einsätzen im Golf von Aden auf eine friedliche Zeit. Unter ihm dienen unter anderem die jungen Soldaten Christophe Balme und Brice Faure, die zu Schlüsselfiguren im Konflikt mit der Insel werden.

 

Intention und Ausführung

 

Die Geschichte einer Insel, die am Ende Geschichte wird, ist eine kompakte, harte und überspitzte Darstellung des Weltgeschehens. Sie zeigt wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft miteinander funktionieren: Einige Wenige entziehen der Masse den freien Willen und lenken sie wie Schachfiguren zu ihrem Vorteil, ohne moralisch verwerfliche Aktionen zu scheuen. Die Ereignisse in Afghanistan und auf See holen den Leser mit grenzwertigen Darstellungen in die Realität zurück. Auch die absurdesten Vorgänge auf der Insel bewegen sich stets nah an der Wirklichkeit. Als alles vorbei ist, wirkt der Blick auf die Insel wie der in eine nahe Zukunft, die ein schlechtes Ende genommen hat. Dabei bleibt die Sprache verständlich und mit viel Wortwitz. Die Kapitel sind kurz und in einem Inhaltsverzeichnis am Ende des Buchs aufgeführt. Ein Glossar erleichtert es, militärische Begriffe zu verstehen.

 

Das Buch wartet auf einen Verleger

 

Geschichte einer Insel

Drei Fremde unterjochen eine von vier Menschen bewohnte Insel und errichten ein Regime - leider haben sie nichts aus der Weltgeschichte gelernt

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